Oh wie schön war Kanada

Oh wie schön war Kanada

27-mal so groß wie Deutschland (bei nicht einmal der Hälfte der Einwohner), ist Kanada als Land viel zu groß und vielfältig, als dass es sich in einem Urlaub entdecken ließe. Selbst in den zwei Monaten, die wir im Land verbracht haben, haben wir „nur“ Teile der West- und Ostküste sowie ein paar der Nationalparks kennengelernt.

Vielleicht haben wir zu große Erwartungen in das „coolere Amerika“ gesteckt oder uns (wie damals in Montevideo) von klingenden Namen wie Vancouver, Montréal und Toronto beeindrucken lassen, vielleicht lag es auch an unseren noch frischen Erfahrungen in Australien, doch neben den fantastischen Landschaften blieben die Städte in Kanada hinter dem, was wir uns versprochen hatten, zurück. Wir haben nun schon einiges von der Welt gesehen, doch eine derartige Häufung von Obdachlosen, Drogenabhängigen und psychisch Kranken, die das Bild jeder kanadischen Großstadt prägen (wenn auch überall nicht so krass wie in Vancouver), haben wir noch in keinem Land erlebt. Hängengeblieben ist bei uns die Szene in Toronto, wo vor dem alten Rathaus mitten auf dem Gehweg regungslos eine verwahrloste Gestalt lag, den Pappbecher für Kleingeld in der ausgestreckten Hand, ein „Thank you“ murmelnd, wenn eine Münze von den Vorübergehenden hineinfiel.

Dann aber wieder wurden wir positiv überrascht, etwa von der Altstadt in Québec oder von der Hauptstadt Ottawa.

Was uns auch gut gefallen hat: Die multikulturelle Durchmischung im Land, die neben der toleranten Atmosphäre für eine vielfältige Küche sorgt, und die freundlichen Kanadier. Kein einziges Mal ist es uns passiert, dass wir eine Straße überqueren wollten und die Autos nicht angehalten haben. So läuft das in Kanada: Du bedankst dich mit einem kurzen Winken, der Fahrer grüßt zurück und alle haben einen schönen Tag. Sollte man nach Deutschland importieren.

Apropos Vorbild: Man könnte meinen, in einem Land, in dem Cannabis seit zehn Monaten legalisiert ist, müsste es überall nach Marihuana riechen — und tatsächlich weht einem hier in den Städten an jeder Ecke der süßliche Geruch von Gras entgegen.

Doch ohne Regeln geht es nicht. Erstaunlich, wie schnell die Kanadier überall im Land die „Rauchen verboten“-Schilder ausgetauscht haben.

Natürlich sind wir in der Hauptsaison nach Kanada geflogen, weil dann das Wetter am besten ist, und natürlich fahren alle in der Hauptsaison dorthin, so dass sich vor allem an der Westküste und in den Nationalparks die Touristen quasi gegenseitig auf den Füßen stehen (und auf die Parkplätze der anderen lauern). Viele Kanadier (kein Wunder, so groß wie ihr Land ist), Asiaten und vor allem Deutsche. Als wir uns beim Rainforest-Spaziergang auf Vancouver Island umhörten, stellten wir fest, dass der Waldabschnitt fest in deutscher Hand war.
Trotz all der Planung waren wir für den Indian Summer an der Ostküste dennoch leider zu früh dran. Lediglich vereinzelt blitzten rotgelbe Blätter in den tiefgrünen Wäldern hervor.

Und, wer hätte das gedacht, Kanada war sogar teurer als Japan. Vor allem die Unterkünfte, ob nun Hostel, Hotel, Bed & Breakfast, Airbnb oder Gefängnis, unter hundert Euro wurde man hier selten was. Und mit dem Camper war es angesichts der Mietgebühren und allem Pipapo auch nicht viel günstiger (dafür ist immerhin das Benzin billig, der Liter zwischen 80 Cent und 1 Euro).
Und das Essen? Auf den ersten Blick nicht teurer als in Deutschland. Ein Bier im Restaurant kostet um die vier Euro, ein Abendessen auch nicht mehr als in Hamburg. Aber: Dann kommen noch Steuern drauf (die in Geschäften und Restaurants nicht ausgewiesen werden): Mehrwertsteuer, Getränkesteuer für alkoholische Getränke und die „Provincial Tax“, denn Kanada wäre nicht Kanada, wenn die Steuersätze nicht pro Provinz unterschiedlich geregelt wären. Plus Trinkgeld. Denn wie in den USA werden den Angestellten im Gastronomiebereich hier nur Mindestlöhne gezahlt, so dass diese auf die Gratuity der Gäste angewiesen sind.* So finden sich auf den meisten Bills praktische Umrechnungshilfen, die 15 % (Standard), 18 % und 20 % des Rechnungsbetrags berechnen. (Weshalb Deutsche/Europäer, die mit dieser Art der obligatorischen Servicegratifikation nicht vertraut sind, oft als knauserig angesehen werden.) Am Ende des Restaurantbesuches führt das ganz schnell dazu, dass man zwischen 20 und 30 Prozent mehr bezahlt als auf der Speisekarte ausgewiesen wurde.

Am Ende ist Kanada definitiv eine Reise wert und es war großartig, zwei Monate in diesem Land verbringen zu können, dennoch erwies sich insbesondere die Westküste in der Hauptsaison als nur bedingt weltreisegeeignet. Bei Reservierungszeiten für Unterkünfte zwischen sechs und zwölf Monaten blieb wenig Raum für Spontanität, was auch zu unserem Reiserhythmus mit mittelfristigen Buchungen ein paar Tage/Wochen vorher nicht wirklich passte.
Aber, mal ehrlich, wenn man sich unsere Fotos ansieht, sind das Luxusprobleme, oder? ;−)

* schöne Szene aus Quentin Tarantinos Reservoir Dogs zum Thema Tipping in Restaurants

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