One Night Out In The Jail

One Night Out In The Jail

Keine Angst, wir sind nicht mit dem Gesetz in Kanada in Konflikt geraten, vielmehr haben wir im Zentrum von Ottawa eine ziemlich einzigartige Unterkunft gefunden. Zwar gibt es im Ottawa Jail Hostel auch Schlafsäle und Doppelzimmer mit Bad, aber hey, das wäre doch langweilig, sagten wir uns und buchten für eine Nacht eine Double Jail Cell.

Schlafen wie vor hundert Jahren

Für mehr als einhundert Jahre ein Gefängnis, wurde das Ottawa Jail 1972 geschlossen und in ein Hostel umgewandelt. Es heißt, der Geist von Patrick J. Whelan, Ottawas populärstem Todeskandidaten, zu dessen öffentlicher Hinrichtung 1869 buchstäblich halb Ottawa kam und dessen Leichnam zusammen mit zahllosen anderen hier verscharrt wurde, soll nachts immer noch durch die Gänge des alten Gebäudes spuken.

Ehemalige Hostelgäste vor dem Eingang zu ihren Suiten (Quelle: Wikimedia)

Da im Gefängnis der einzige Original-Galgen in Kanada erhalten ist (den Schlüssel zur Hinrichtungskammer hat man 1976 nach Abschaffung der Todesstrafe in den Fluss geworfen), steht das Gebäude heute unter Denkmalschutz, so dass keine baulichen Veränderungen vorgenommen werden dürfen. Entsprechend spartanisch sind auch die Zellen ausgestattet: ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett, Washrooms auf dem Gang (aber verhältnismäßig luxuriös, wenn man bedenkt, dass die früheren Insassen einmal bei ihrer Einlieferung geschoren und gebadet wurden und danach nie wieder und dass Häftlingen in Isolationshaft nur eine Viertelstunde am Tag für Essen und ihr Geschäft in einem Eimer zugestanden wurde).

Unsere gemischte Doppelzelle

An unserem letzten Tag in der Stadt hieß es dann „Gefangene Kruse melden sich zum Einschluss“.


Unser Aufenthalt in der Strafanstalt begann mit einer Führung durch das Gebäude. Hinter massiven Holztüren eröffneten sich uns Einblicke in geheime Gänge zum einstigen Courthouse, in Isolationszellen mit unmenschlichen Bedingungen und in den Todestrakt unterm Dach.

Leider wurde die Mugshot-Bar im Gefängnishof („the heart of the underground music scene in Ottawa“) vor einigen Jahren wegen Lärmbeschwerden der Gefängnisinsassen geschlossen (vermutlich befürchtete man einen Hungerstreik), also nutzten wir einen abendlichen Freigang, um etwas zu essen und einen Drink zu bekommen.

Unsere Nacht im Gefängnis war auf jeden Fall authentisch. Aufgrund der Akustik in den gewölbeartigen Gängen und Zellen war jedes noch so kleine Geräusch deutlich bis ans andere Ende des Gefangenentrakts zu hören, was praktisch ist, wenn man ein Gefängnis betreibt (die Wärter hören alles, ohne die Zellen betreten zu müssen, und sie werden auch von allen gehört), aber nicht ganz so ideal in einem Hostel. Dennoch haben wir hinter unserer vergitterten Zellentür (mit Ohropax) besser geschlafen als die Nächte zuvor im Holiday Inn.

Aufregend wurde es erst nachts, als uns ein dringendes Bedürfnis auf den schummrig beleuchteten Gang trieb. Dass unsere Zellentür beim Öffnen authentisch knarrte (und vermutlich alle anderen Insassen Gäste in den angrenzenden Zellen weckte), unterstrich noch die unheimliche Atmosphäre des nächtlichen Ortes. Würden wir auf dem Weg zum Klo dem Geist von Patrick Whelan begegnen (oder noch schlimmer, dort der Maulenden Myrte)?

Doch ohne dass es zu paranormalen Zwischenfällen kam, schlossen wir uns schon Minuten später wieder ein und kuschelten uns auf unsere „Doppelpritsche“.
Definitiv ein Erlebnis (aber nur für eine Nacht).

Wieder auf freiem Fuß, nahmen wir am nächsten Morgen den Bus aus der Stadt und nach Toronto.

Knastmusik: There’s No Night Out In The Jail, obskures Cover von Nick Cave And The Bad Seeds

2 Gedanken zu „One Night Out In The Jail

  1. Das ist auch mal eine sehr interessante Art „lost Places“ zu besichtigen. ich finde es allerdings schon sehr makaber, dass der Galgen da noch hängt -brrrr
    Schön allerdings, dass es in dem Hotel keine Mindestbuch-Zeit von einem Jahr gibt – schnell weg! 😉

    1. Sehr schön auch der Kommentar am Ende der Führung: „Ihr könnt gern noch Fotos machen, aber passt auf, dass die Zellentüren nicht hinter euch ins Schloss fallen, hier oben ist nicht so oft jemand.“

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