Time for Sayonara

Time for Sayonara

Möglicherweise haben wir im Erdkundeunterricht nicht gut genug aufgepasst, aber wir hätten nicht gedacht, dass man Japan, diesen schmalen Landstrich auf dem Globus, in zwei Monaten nicht komplett von Süden bis Norden bereisen kann.

Am Ende aber wohl mehr eine Aussage über unsere gegenwärtige Art zu reisen als über die Ausdehnung des Archipels. Seit wir vor acht Wochen auf Okinawa gelandet sind, haben wir uns langsam in Richtung Norden bewegt, sind dabei oft lange an den einzelnen Orten geblieben — und stellten schließlich fest, dass, wenn wir vor Beginn der Regenzeit ganz in den Norden wollten, wir uns würden hetzen müssen. Das wollten wir nicht, daher haben wir Hokkaido im Norden ebenso ausgelassen wie die Inseln südlich von Okinawa (und beides auf die Liste für Weltreise Nummer 3 gesetzt :-).

Nach zwei Monaten durchs Land erscheint uns Japan im Rückblick trotz der vielen Menschen als sehr leise oder besser gesagt als nicht laut. Selbst Tokio, wo für eine Stadt mit zehn Millionen Einwohnern erstaunlich wenig Autos und Lkws unterwegs sind, wirkte auf uns im Vergleich zu anderen Metropolen fast schon gedämpft.

Dafür sorgen — wie soll es anders sein — viele Regeln; zum Beispiel wird sich in öffentlichen Verkehrsmitteln nie laut unterhalten, telefonieren in der U-Bahn gilt als No-Go. Im Gegensatz dazu — und besonders wirkungsvoll — fahren dann aber (leere?) Lastwagen mit großformatigen Werbeflächen und voll aufgedrehten Werbe-Jingles durch die Innenstädte. Und das ominöse Fünfuhrläuten begleitete uns während unseres Aufenthaltes in Tokio ebenso wie die pausenlos piepsende und sprechende Ampel direkt unter dem Fenster unseres Apartments auf Okinawa.

Ganz vorbei ist es mit der Ruhe, sobald man eine der zahlreichen Pachinko-Spielhallen passiert. Die in Japan unglaublich beliebte vertikale Version eines Flippers steht in jeder der Hallen zu Hunderten aneinandergereiht. Das unaufhörliche Geklacker tausender Metallkugeln wird erfolglos mit lauter Musik zu übertönen versucht, ein infernalischer Lärm, der in Kombination mit dem Zigarettenrauch der den ganzen Tag Zockenden wahre Spielhöllen entstehen lässt.

Solltet ihr auf den Geschmack gekommen sein und eine Reise nach Japan planen, packt unbedingt ausreichend Taschentücher ein. Da lautes Ausschnauben in der Öffentlichkeit als Tabu gilt, ist Japan so etwas wie der weiße Fleck auf der Tempotaschentuch-Expansionsstrategie. Auch die einlagigen Taschentücher, deren Packungen von lokalen Firmen als Werbemittel auf der Straße verteilt werden, halten keinem kräftigen europäischen Schnäuzen stand. Und was machen die Japaner, wenn sie einen Schnupfen haben? Sie ziehen einfach ständig die Nase hoch. Kein Scherz, denn obwohl jeder sichtbare Hinweis auf mögliche Schleim- oder sonstige Ablagerungen im Näschen verpönt ist, scheinen lautstarkes Bierkutscherniesen und geräuschvolles Rotzhochziehen gesellschaftlich anerkannt zu sein.

Von schlichten Sandalen über Flash-Gordon-Flügelschuhe bis hin zu Geschmacksverirrungen wie Zehensocken ist schuhtechnisch im Land der aufgehenden Sonne alles drin.

Und ist es nicht teuer in Japan?
Gute Frage. Natürlich ist es nicht so günstig wie in Südostasien, aber auch kein Vergleich zu den Preisen in Manhattan oder gar auf Island. Transportmittel kosten relativ viel Geld, Eintrittspreise für Museen etc. liegen hingegen oft nur bei drei, vier Euro. Trinkgeld ist in Japan absolut unüblich, guter Service ist hier derart selbstverständlich, dass ein Tip fast schon als Beleidigung aufgefasst wird. Hotels entsprechen in etwa dem deutschen Preisniveau, Essen im Restaurant liegt meistens — bei hervorragender Qualität — sogar etwas darunter (zumindest in den Restaurants, die wir uns ausgesucht haben, nach oben sind da auch in Japan keine Grenzen gesetzt).
Machen wir den Bierpreisvergleich, da kennen wir uns gut aus: Ein Glas Bier im Restaurant kostet in Japan im Schnitt 4 Euro, derselbe Preis wie für ein Pils in Deutschland, in Manhattan legt man dafür 6 Euro auf den Tisch, auf Island 8 Euro (plus Trinkgeld).

Zwei Monate in Japan.
Was uns fehlen wird: all die höflichen und rücksichtsvollen Menschen
Was uns nicht fehlen wird: brettharte Matratzen
Was uns fehlen wird: eine in allen Städten gültige Chipkarte für Bus und Bahn
Was uns nicht fehlen wird: allgegenwärtiges frickeliges Jazz-Gefuddel
Was uns fehlen wird: superpünktliche Züge
Was uns nicht fehlen wird: laute rotznasige Buspassagiere
Was uns fehlen wird: 24-Stunden-Kombinis
Was uns nicht fehlen wird: sprechende Piepsampeln
Was uns fehlen wird: saubere öffentliche Toiletten an jeder Ecke
Was uns nicht fehlen wird: superdünne Taschentuchfetzen
Was uns fehlen wird: täuschend echte Lebensmittelimitationen als Previews vor den Restaurants …
… und das leckere Essen darin.

Sayonara, Nippon!

3 Gedanken zu „Time for Sayonara

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