Downtown Vancouver

Downtown Vancouver

Vancouver begrüßte uns in unserem Airbnb südlich der City mit einem Panorama aus blitzenden Glaspalästen vor einer Kulisse aus blauem Meer, baumbewachsenen Hügeln und alpin anmutenden Berggipfeln.

Wie praktisch, dass die Nachbarn unserer Airbnb-Hosts Matthew & Darya nicht da waren und wir für einen gemeinsamen Sundowner ihre Dachterrasse nutzen konnten.

Auf der anderen Seite der Stadt, im Norden, nur wenige Gehminuten von der Innenstadt entfernt, erstreckt sich der 400 Hektar große Stanley Park. Insgesamt 200 Kilometer Wege führen zwischen einer halben Million Bäumen durch den größten Stadtpark Kanadas.

Durch den Stanley Park hindurch, über die imposante Lions Gate Bridge, führt der British Columbia Highway 99 in Richtung Norden zum nahe gelegenen Capilano Suspension Bridge Park, wo eine 136 Meter lange Seilbrücke in 70 Metern Höhe über den Capilano River am Fuße des Canyons verläuft. Klingt wie eine der typischen kanadischen Längste-Höchste-Größte-Attraktionen, doch fast noch mehr als die Brücke selbst beeindruckten uns die Treetops Adventures, Seilbrücken, die 30 Meter über dem Erdboden zwischen uralten Douglas-Fichten gespannt sind und die wir frühmorgens vor dem Einfall der Touribushorden fast für uns allein hatten.

Zurück Downtown fanden wir zu Füßen der gläsernen Hochhausfronten den Stadtteil Gastown voller restaurierter alter Gebäude mit Shops und Restaurants für Touristen rund um das Wahrzeichen der Stadt, die Steam Clock.

Ein Block davon entfernt eine ganz andere Welt. Wir waren nur ein paar Schritte von dem sonnenbeschienenen Platz mit den belebten Straßencafés gegangen, um uns im (verdächtig vergitterten) Laden an der Ecke eine Flasche Wasser zu kaufen, als uns in der Gasse neben dem Laden ein Mann auffiel, der bewegungslos dort stand und auf die stinkende Reihe Müllcontainer starrte. Dann, von einem Moment auf den anderen, sprang er vor und begann laut schimpfend mit Tritten und Schlägen in die Luft einen Kickbox-Kampf gegen einen imaginären Gegner.

Zum ersten Mal kamen wir mit der berüchtigten East Hastings Street, in die wir plötzlich geraten waren, in Kontakt, als wir nach einer bezahlbaren Unterkunft suchten (in Vancouver gar nicht so einfach). Eines der Zimmer in einem viktorianischen Stadthaus östlich der Innenstadt wirkte recht ansprechend, nur der Hinweis in einer Rezension, man solle besser nicht zu Fuß hinunter in die Stadt gehen und auf jeden Fall die Parallelstraße meiden, machte uns stutzig.

Von jeher ein Armenviertel, entwickelte sich die Downtown Eastside Vancouvers in den achtziger und neunziger Jahren zu einem der größten Drogenviertel Nordamerikas. Die Weltausstellung 1986, zugleich 100-Jahr-Feier der Stadt, führte dazu, dass Dealer und Junkies von der Polizei aus anderen Stadtvierteln in die Eastside vertrieben wurden, während gleichzeitig der Markt für Kokain und Heroin expandierte. Hinzu kam, dass durch die von der Regierung betriebene „Deinstitutionalisierung“ mental Kranke massenhaft aus psychiatrischen Einrichtungen entlassen wurden, um „in die Gemeinschaft integriert“ zu werden. Doch die versprochene staatliche Unterstützung blieb aus und viele der psychisch Kranken endeten in Downtown Vancouver, wo sie Zuflucht zu Drogen suchten.


Alltag in den Straßen von Vancouver: Dieses Mädchen trägt ihre Lieblingsboa spazieren.

Wir sind, was das angeht, jetzt nicht eben etepetete und in Hamburg/Altona laufen genug komische Gestalten rum, die auch ohne Knopf im Ohr laut Gespräche auf der Straße führen, doch die Dichte an Drogenzombies, menschlichen Wracks und deutlich gestörten Männern und Frauen in Vancouver ist schon krass.

Die Stadtverwaltung scheint diese Tatsache zu tolerieren/ignorieren, während gleichzeitig die Welle der Gentrifizierung immer weiter ins Viertel schwappt, ohne dabei aber die gestrandeten Gestalten am Straßenrand mit fortzuspülen, so dass an den Randbereichen beide Welten verschwimmen.
Was zu einigermaßen absurden Situationen führt, denn in Kanada ist sowohl Alkoholkonsum als auch Rauchen in der Öffentlichkeit verboten, während an der nächsten Straßenecke eine ausgemergelte Gestalt auf einem verdreckten Schlafsack sitzt und Crack raucht.
Sicher, solche Szenen kann man in jeder Großstadt beobachten, wenn man in die falschen Viertel gerät, aber wir hätten nicht ausgerechnet in Vancouver damit gerechnet, mitten in der Innenstadt und derart massiv.

Filmtipp: Through a Blue Lens — Eindringliche Doku über die Drogenszene in Vancouver aus dem Jahr 1999 auf YouTube. In den vergangenen 20 Jahren hat sich dort wenig verändert …

3 Gedanken zu „Downtown Vancouver

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