Thank you for your cooperation

Thank you for your cooperation

Als wir kürzlich an einer roten Ampel an einer menschenleeren Kreuzung stehen blieben, auf der in allen Fahrtrichtungen bis zum Horizont kein Verkehrsteilnehmer zu sehen war, fanden wir Zeit, darüber nachzudenken, wie sehr uns Japan schon verändert hat.

Die Japaner lieben Regeln, und sie lieben es, wenn andere sich an Regeln halten.
Ein schönes Beispiel ist die Mülltrennung, die die japanischen Recyclingmeister mit ähnlicher Akribie betreiben wie die deutschen Joghurtbecherausspüler. Eingedenk der Tatsache, dass in Japan alles lieber einmal zu viel als zu wenig und am besten in Plastik verpackt wird, gibt es im Land allerdings erstaunlich wenig Mülleimer (wenngleich nicht ganz so extrem wie in Südkorea). Die Reisenden, die schon ein wenig länger im Land sind, tragen daher wie die Einheimischen immer eine Knisterplastiktüte mit sich herum, in der sie ihren Müll deponieren, um ihn später akkurat getrennt zu entsorgen.

Wir mögen auch Regeln, aber wir mögen es auch, die falschen Regeln im richtigen Moment zu missachten.
Zu unseren Grundsätzen beim Reisen gehört, sich in den Ländern, in denen man zu Gast ist, auch wie Gäste zu benehmen. Dazu zählt, sich den Sitten und Gebräuchen des jeweiligen Landes anzupassen. Je länger wir aber in Japan sind, spüren wir immer mehr die Versuchung, einzelne der unzähligen Regeln allein des Regelbruchs wegen zu brechen. (Einfach mal ohne Zebrastreifen die Straße überqueren, wir Rebellen.)
Kritisch wird es für uns immer dann, wenn sich Menschen im Ausland deutscher als deutsch verhalten. Was das anging, war Pakete aufgeben im japanischen Postamt grenzlastig, als der übereifrige Postbeamte nicht nur darauf bestand, den Inhalt unseres Pakets penibel Stück für Stück zu erfassen, sondern nach Rücksprache mit seiner Vorgesetzten auch noch persönlich überwachte, dass wir unsere schicke Sake-Flasche vor dem Versand auch ausleerten. (Gern hätten wir mit ihm und der Oberpostbeamtin im Schalterraum einen gehoben, aber irgendetwas sagte uns, dass sie dafür wahrscheinlich einen schriftlichen Antrag bei der kaiserlichen Postdirektion stellen mussten.) Doch dann stellten wir uns vor, wie ein Japaner bei der deutschen Post versucht, ein Paket nach Japan zu schicken, und fühlten uns gleich besser.

Reisen in Japan heißt leben am Rande der Überorganisiertheit. Alles ist sauber, ordentlich, in zwei Sprachen umfangreich ausgeschildert und jeder Schritt geregelt. Was vermutlich auch so sein muss. Wenn uns endlose Anstellabsperrungen und mehrstufige Kassierprozesse begegneten, erschien uns das oft unnötig kompliziert, doch dann wurde uns meist bewusst, dass vieles besonders in den bevölkerungsdichten Städten für ein Vielfaches der Menschenmenge ausgelegt ist und dann ein gut organisiertes Procedere durchaus Sinn macht.

Insbesondere bei größerem Gedränge wird auf die Regeln gern von uniformierten Ordnern mit Armbinden, Megafon und Trillerpfeifen hingewiesen. Was weniger als Zurechtweisung zu verstehen ist (die in den meisten Fällen gar nicht nötig ist, da sich ja alle an die Regeln halten), sondern mehr als freundliche Unterstützung bei der Einhaltung der zahlreichen Vorschriften.

Alternativ sind es Lautsprecherdurchsagen mit freundlich-ausdrucksloser Frauenstimme, die auf potentielle „Gefahren“ und geeignete Präventionen hinweisen. Auf dem noch erwachenden internationalen Flughafen in Nagoya etwa war frühmorgens als einziges Geräusch das gespenstische Flüstern der Rolltreppen zu hören: „Please watch your steps.“

„Thank you for your cooperation.“

Der untypisch unfreundliche Japaner dort oben macht übrigens seinem Ärger darüber Luft, dass Leute unbefugt ihren Müll vor seinem Haus abladen, wo nur sein Hausmüll hingehört. Im Land der wenigen öffentlichen Mülleimer ein echter „Straftatbestand“.

3 Gedanken zu „Thank you for your cooperation

  1. Deswegen haben wir uns da so wohl gefühlt. Höchstens die Schweiz kann da noch mithalten. Go ni ireba, go ni shitagae.

  2. Und die Schilder machen so viel Sinn! Das mit dem ängstlichen Telefon, das den Bagger an der Hauptleitung fürchtet, hätten wir vor kurzem in der Friedensallee gebrauchen können… Dafür haben wir jetzt neue, schnellere Leitungen bekommen. 😀
    Danke für die tolle Bildersammlung!

  3. Hi Olaf und Angelika. Thank you for your card from Japan. What a lovely experience for you both. Very interesting rules and perceptions. We should take more care in Ireland. Love. Richard and Christina.

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