Culture Clash im Cosplay Cafe

Culture Clash im Cosplay Cafe

Deee-li-ciooouuus!, quiekte das Mädchen im kurzen gerüschten Kleidchen mit dem puppengleich geschminkten Gesicht und den kindlichen Zöpfen, gefolgt von einem infantilen Kichern. Mit einer ausholenden Bewegung malte sie mit beiden Händen ein überdimensionales Herz in die Luft.
Interessantes Muster des Bodenbelags, sollte man sich genauer ansehen, fanden wir plötzlich beide, bevor sich unsere Blicke über den Tisch hinweg trafen und jeder in den Augen des anderen das eigene Unbehagen widergespiegelt fand.

wanderweib.de, Quelle unzähliger deutschsprachiger Informationen über das Leben in Japan, schrieb zu den Dingen, die man in Osaka getan haben musste, „kauf dir Figuren deiner Lieblings-Anime-Serien und besuche ein Maid Cafe“.
Nun lag Nipponbashi, ein Stadtteil bekannt für Elektronikfachmärkte, Bastlerbedarf und Sexshops und mit seinen Manga-Fan-Shops ein Mekka für alle Otakus, leidenschaftlich-nerdige Fans von Mangas und Animes, bei unserer Unterkunft in Osaka direkt um die Ecke.

Ist jetzt nicht unbedingt unsere Welt, aber wofür macht man eine Reise, wenn man nicht fremde Kulturen kennenlernen will? Nachdem wir uns für das umfangreiche Sortiment an Manga-Sammelkarten und Anime-Merchandising nicht so recht erwärmen konnten, betraten wir also ein Maid Cafe.

„While most restaurants consider customer service important, the maid cafe takes customer service to a whole new level“, schrieb eine Website zu den von Google etwas holprig als „Magd-Café“ übersetzten Lokalitäten. „The concept might seem a bit discomforting at first if you’re used to more laid-back service.“

Bereits vor der Tür wurden wir von Kotori-Anime enthusiastisch begrüßt und mit den Regeln vertraut gemacht: „No photos“ — es sei denn man zahlte 6 Euro pro Bild — „and don’t touch the animes“. Ein Hinweis zum einen, wie sich die hier angestellen Mädchen selbst sahen, zum anderen in Richtung des sexuellen, um nicht zu sagen lüsternen Aspekts des Ganzen, mit dem in der Manga/Anime-Kultur relativ ungezwungen umgegangen wird, der aber für den männlichen europäischen Cafébesucher ein wenig discomforting wirkt (es sei denn, man steht auf asiatische Dienstmädchen-Girlies).

Olaf: Und dann stellt euch die Szene aus der Perspektive eines Zweimetermanns vor, der sich nicht nur in den winzigen Sitzbadewannen in diesem Land vorkommt wie ein Riese. Hinzu kam, dass die mit Staff only beschriftete Tür im Café so klein war, das selbst die japanischen Maids den Kopf einziehen mussten, ein Detail, das der Szenerie unfreiwillig eine Atmosphäre wie bei Alice im Wunderland verlieh.

Drinnen war die primär vorherrschende Farbe rosa, aber hey, wir waren in einem Café in Japan, da gehören Zuckerwattefarben zur natürlichen Umgebung. Während wir auf unsere Bestellung warteten, wuselten die Maids kichernd und mit Kleinmädchenstimmen um uns herum, fragten, ob uns die Eisbecher schmeckten („Deee-li-ciooouuus?!“) oder stellten sich näher vor („My name is Rin, I live in Strawberry Kingdom.“). Jedes Mal, wenn sich eine von ihnen vom Tresen her durch den Raum bewegte, hofften wir, sie würde an einem der anderen Tische stehen bleiben und niedlich sein.

Möglicherweise hatten wir vorher etwas nachlässig recherchiert, aber zu unserer Verteidigung hatten wir eigentlich nur ein zweites Frühstück nehmen wollen und dachten, in den Maid Cafes sähen die Bedienungen einfach wie Figuren aus einem Anime aus. Was wir nicht bedacht hatten: Sie verhalten sich auch so.

Lag es etwa an uns (Stimme aus dem Off: „Aha! Jetzt kommen wir der Sache schon näher!“), fragten wir uns, als sich an den Nebentisch ein Mädchen setzte, das im selben Stil wie die Maids gekleidet war, den ganzen Quatsch — Deee-li-ciooouuus! — voll mitmachte und offenbar beabsichtigte, ein paar unterhaltsame Stunden in Animeland zu verbringen. Nun sind wir gemeinhin Albernheiten und Quatschmachen nicht abgeneigt, aber was wir hier erlebten, spielte in einer ganz anderen Liga.

Zwei Tische weiter hatte man zusätzlich zur Zuckertorte auch die Show gebucht. Rin griff zum Tamburin und begann, begleitet von den anderen Animes, ein Liedchen zu trällern. Wir aßen schnell auf, zahlten und ergriffen die Flucht. Als wir die Tür hinter uns schlossen, atmeten alle Beteiligten erleichtert auf.
Unsere traumatisierten Seelen therapierten wir bei einem Spaziergang durch den Park von Osaka Castle.

2 Gedanken zu „Culture Clash im Cosplay Cafe

  1. Ich hatte das vergessen, aber die Texte zur Yoko Ono Ausstellung in Leipzig, haben mich daran erinnert. Die zu kleine Tür gibt es auch in der Teehausarchitektur. Dort soll sie beim Eintritt bereits zur Demut auffordern.

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