Die Gerbereien von Fès

Die Gerbereien von Fès

Die Medina von Fès gilt als größte mittelalterliche Altstadt der Welt, doch die wahre Attraktion innerhalb der Stadtmauern sind die traditionellen Gerbereien.
Allein dorthin zu gelangen, ist ein Abenteuer, denn der Weg führt durch ein Labyrinth aus unübersichtlichen Gassen (derart verwinkelt, dass nicht einmal Google Maps sie alle kennt), vorbei an endlosen Reihen von Geschäften und eloquenten Händlern. Natürlich kann man sich auch von einem Guide dorthin führen lassen, aber, hey, das ist nicht gerade Globetrotter-Style, oder?

Also machten wir uns trotz all der Horrorgeschichten im Internet über Schlepper, die unschuldige Touristen in Ledergeschäfte am anderen Ende der Stadt entführten und erst nach Kauf einer vielfach überteuerten Damenhandtasche wieder freiließen, auf eigene Faust auf in Richtung Tanneries.

Hinzu kam, dass wir am Freitag, dem Yaum al-Dschum’a, dem Tag der Zusammenkunft, unterwegs waren, an dem das öffentliche Leben in der Medina zum Freitagsgebet heruntergefahren wird. Was sich für uns als Segen erwies, denn statt uns in den engen Gassen im Gedränge zwischen Straßenständen, Touristenmassen, Einheimischen, Handwagen, Eselskarren und Motorrollern im Schneckentempo voranzuquälen, kamen wir in der Stadt, die im 30-Prozent-Modus lief, angenehm schnell voran.

Die großen Gerbereien der Stadt, die ihren Ursprung im 12. Jahrhundert haben und an deren Bearbeitung der Tierhäute sich seit damals abgesehen von Gummistiefeln nur wenig geändert hat, sind lückenlos umgeben von Ledergeschäften, von denen jedes auf dem Dach eine eigene Aussichtsterrasse mit dem besten Blick auf das Treiben zwischen den mit bunten Farbstoffen gefüllten Bottichen bietet.

Grundsätzlich gilt, dass der Zugang zu den Terrassen kostenlos ist, und man kann sicherlich Grundsatzdiskussionen darüber führen — oder man überlegt sich, dass 20 Dirham Tip umgerechnet weniger als 2 Euro sind und man zudem noch ein Büschel Minzblätter gegen den Gestank bekommt, so what? Denn zum Entfernen von Haarresten und Aufweichen der Häute wird unter anderem Taubenkot verwendet, so dass sich uns die hinter den Shops verborgenen Gerbereien in den umliegenden Gassen allein schon durch ihren strengen Geruch ankündigten. Eigentlich ganz einfach — immer der Nase nach.

Doch was wie eine Touristenattraktion mit angeschlossenen Souvenirshops wirkt, ist in Wahrheit Knochenarbeit. Denn während die Touristen sich auf den Balkonen ringsum Kräuterbüschel unter die geruchsempfindlichen Näschen halten, steigen die Arbeiter in der Gerberei unter ihnen halbnackt in die Färberbottiche, bearbeiten die Häute mit Messern und bloßen Händen. Szene wie in Das Parfum im Paris des 18. Jahrhunderts.

War doch gar nicht so schlimm mit dem Gestank, sagten wir uns zunächst, als wir von unserer Gerbereiexkursion zurückkehrten, hatten jedoch nicht damit gerechnet, dass sich der durchdringende Geruch nach Tierexkrementen in den Schleimhäuten festsetzen und uns im Laufe des Tages immer wieder an unseren morgendlichen Ausflug erinnern würde. Aber allein schon die Fotos waren die olfaktorische Reise in die Vergangenheit wert.

Lesetipp: In Patrick Süskinds Roman Das Parfum wird der mit einem besonderen Geruchssinn ausgestattete Waise Jean-Baptiste Grenouille im Alter von acht Jahren als Gehilfe an eine Gerberei verkauft.

2 Gedanken zu „Die Gerbereien von Fès

  1. und wie viele handtaschen hat geli gekauft? ich habe in katalonien gleich 2 gekauft, was meinen enkel entsetzt ausrufen liess: oma hat 2 taschen gekauft! diesmal hat der heemann nichts gesagt – ich kriegte auch mehr nicht in meinen koffer…

    1. Wir haben festgestellt, dass wir auf dem Rückflug neben unserem Gepäck jeder noch zwei Taschen im Bordgepäck mitnehmen dürfen. Das heißt, wir kaufen auf den Märkten in Marrakesch nicht nur kräftig Souvenirs, sondern auch noch Taschen ein, um alles mitzunehmen.

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