May the Fourth be with you

May the Fourth be with you

Am Tresen des Dumpling Centers in Hiroshima kamen wir mit einem japanischen Pärchen ins Gespräch.
„How long have you been in Japan?“, fragten sie uns.
„Two and a half weeks …“
Vier Augenbrauen gingen hoch.
„… but we are planning to stay here for two months …“
Two months“, wiederholten beide ungläubig.
„… because it’s part of our world travel.“
Zwischen zwei Bissen Teigtasche klappten die Kinnladen runter.
Hätten wir den beiden noch erzählt, dass dies unsere zweite Weltreise ist, wären sie vermutlich vom Hocker gefallen.


Alles schön ordentlich: Absperrungen in Reih und Glied auf dem Vorplatz des Palastes

Bedenkt man, dass der fleißige japanische Salaryman im Durchschnitt 18 Tage Jahresurlaub hat, von denen er jedoch, wenn überhaupt, aus Rücksicht auf das Unternehmen nur die Hälfte der Urlaubstage in Anspruch nimmt, verwundert es nicht, dass der Begriff für Tod durch Überarbeitung, Karōshi, aus dem Japanischen kommt.
Die japanische Regierung versucht dem mit Feiertagsgesetzen entgegenzuwirken, zum Beispiel mit dem „Happy Monday“-Gesetz, das, wenn ein Feiertag auf einen Sonntag fällt, den darauf folgenden Montag automatisch zum Feiertag macht (gleich mal für eine Eingabe bei der Landesregierung zu Hause notieren).

Imperial Guards

Die 10-tägige „Mutter aller Goldenen Wochen“, wie eine Website die Agenda für die längste Feiertagsserie seit der Jōmon-Zeit betitelte, entstand in diesem Jahr durch die Kombination der üblichen vier Feiertage in diesem Zeitraum mit der Jahrhundert-Abdankung des alten Tennō und Inthronisation seines Sohnes sowie zwei von der Regierung zu „Volksruhetagen“ erklärten Brückentagen und eines Happy Mondays. Die berüchtigte Golden Week ist in Japan so etwas wie Tet in Vietnam. „In der Woche solltest du lieber Japan meiden, da Züge und Sehenswürdigkeiten hoffnungslos überfüllt sind“, schrieb unser zuverlässiger Japan-Guide wanderweib.de. Was aber, wenn man wie wir während dieser Woche schon in Japan war? Wir hatten daher unser Shinkansen-Ticket nach Tokio schon mit ordentlich Vorlauf reserviert und für die Woche rechtzeitig ein Hotel in der Hauptstadt gebucht.


Sitzt in dieser mysteriösen Limousine etwa der neue Tennō?

Und was machten die fleißigen Japaner während dieser Zeit? Laut einer Umfrage hat lediglich ein Drittel der japanischen Arbeitnehmer seit Beginn ihres Arbeitslebens zehn Tage am Stück frei gehabt. Viele nutzten daher die Gelegenheit für einen „ausgedehnten“ Urlaub in Übersee oder besuchten ihre Familie, doch viele wussten offenbar nichts mit so viel freier Zeit anzufangen … und gingen shoppen (denn wider Erwarten hatten während der Goldenen Woche alle Geschäfte geöffnet).


Unsere erste Woche in Tokio lässt sich gut mit einem Wort beschreiben: crowded.

Aber hey, dafür waren wir beim Jahrhundertereignis der Abdankung und Inthronisation des Kaisers, dem Beginn einer neuen Ära direkt vor Ort. Die ganze Stadt ein Fahnenmeer, jede Nacht Feuerwerk, Menschen tanzten auf den Straßen und standen mit uns Spalier, während die kaiserliche Limousine durch die Hochhausschluchten Tokios kreuzte.
So ungefähr hatten wir uns das vorgestellt.


Die Auslandskorrespondenten vor den kaiserlichen Palastanlagen

Und dann: nichts. Wir recherchierten im Web, wir fragten im Hotel nach (wo das Personal von der Frage ein wenig überrascht schien und selbst im Internet nachsehen musste, aber auch nicht mehr fand als wir): Am Tag der Abdankung: geschlossene Gesellschaft, 300 geladene Gäste (wir nicht). Am Tag der Inthronisation: zwei Dutzend Teilnehmer (keine Frauen). Lediglich am 4. Mai war der Palast für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich und der neue Kaiser würde sich im Laufe des Tages sechsmal zeigen. Groß gefeiert wird erst im Herbst.


Am Tag selbst nur ein geringes Sicherheitsaufgebot.

Wir machten uns nichts vor. Tokio hat knapp zehn Millionen Einwohner, und selbst wenn ein paar von ihnen über die Feiertage aufs Land gefahren waren, blieben immer noch genug, dass stundenlanges Anstehen vor dem Palast keinen Blick auf den Tennō garantieren würde.


Die Polizei orchestrierte in erster Linie die Menschenmassen.

Und so kam es dann auch. Wir gelangten am Samstagmorgen noch nicht einmal in die Nähe der Palastgärten.

Das hätte uns am Ende der Schlange erwartet (Quelle: dpa/Eugene Hoshiko)

6 Gedanken zu „May the Fourth be with you

  1. Soweit man das sehen kann, sind die Farben der Kostüme der Damen auf dem Balkon alle merkelblazertauglich. Hübsch.

  2. als der kaiser sich das erste mal oeffentlich zeigte – foto im courier – war ich enttaeuscht: westlich gekleidet, unscheinbar, seine frau einen halbern kopf groesser und nicht so einen huebschen hut wie die royals in england, bisschen mehr kostuemierung haette ich auch schon erwartet, die haben doch sonst nichts zu tun ausser zu repraesentieren, dann aber zumindest in landestracht und nicht so westlich – frau merkel darf natuerlich einen blazer tragen…

  3. Tja, authentisch soll es sein. Aber bitte schön, was ist das in einem Land, dessen Moderne so lange dauert wie unsere? Soll der Steinmeier in Tracht des 19. Jahrhunderts sein Amt antreten?

  4. tja landwirt, der steinmeier ist politiker und wird demokratisch befristet gewaehlt, ein kaiser, der von geburt an auf diese rolle vorereitet wird, ist ja wohl was anderes und wenn er sich nicht mal mit der kleidung von otto normalbuerger unterscheidet, kannst du das amt doch gleich ersatzlos streichen.

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