Eine Stadt, halb so alt wie die Zeit

Eine Stadt, halb so alt wie die Zeit

Lawrence of Arabia schrieb in seinem Werk Die sieben Säulen der Weisheit „Petra ist der herrlichste Ort der Welt“ — und fügte hinzu, jede Beschreibung müsse vor dem eigenen Erleben der Stadt erblassen.

Als wir am Vortag in Petra (sprich ˈpɛtra), der ersten Station unserer viertägigen Jordanien-Tour, ankamen, fühlten wir uns an zuhause erinnert: 3 Grad, dicke Wolkenmassen und die Wetter-App schrieb irgendwas von Schneefall. (Immerhin, Petra liegt auf über 1000 Metern Höhe, während wir am Toten Meer gerade noch den tiefsten Punkt der Erde, mehr als 400 Meter unter Normalnull, passiert hatten.)

Als wir am nächsten Morgen um sechs Uhr aufstanden, waren es immer noch 3 Grad, doch die Sonne schien, und während wir durch den anderthalb Kilometer langen Siq zwischen hoch aufragenden Schluchtenwänden in Richtung Felsenstadt wanderten, tauchte schließlich nach der letzten Windung, perfekt beleuchtet von der Morgensonne, Khazne al-Firaun, das „Schatzhaus“, vor uns auf. Ein wahrer Gänsehautmoment.

Die meisten der direkt in den Fels gemeißelten Grabtempel Petras entstanden während der Blütezeit des Nabatäerreiches. Die Nabatäer bauten Petra ab 300 v. Chr. zu einem zentralen Handelspunkt im Nahen Ostens aus, so dass jede Karawane den Ort passieren und Zölle entrichten musste. Das prachtvolle „Schatzhaus“ am Ende der Felsschlucht (das in Wahrheit entgegen der Legende ein Grabtempel ist) zeigte jedem, der neu in die Stadt kam, wie wohlhabend die Bewohner auf diese Weise geworden waren. Wahrlich imposant — wir waren auch 2000 Jahre später noch beeindruckt.

Nach dem Niedergang des Nabatäerreiches im ersten Jahrhundert n. Chr. und mehreren schweren Erdbeben verließen die letzten Bewohner zu Beginn des Frühmittelalters die Stadt. Als der Schweizer Jean Louis Burckhardt Anfang des 19. Jahrhunderts als erster Europäer seit den Kreuzzügen Petra besuchte, nutzte ein Beduinenstamm die Grabtempel als Wohnungen und Ställe.
Doch Petra auf die im Laufe der Jahrtausende in den Sandstein gespülte Felsschlucht und die berühmte Fassade des Schatzhauses zu reduzieren, wird diesem Ort nicht gerecht.

Denn kaum verließen wir das geschäftige Treiben auf dem Vorplatz des Schatzhauses, breitete sich im Sonnenschein die ganze prachtvolle Weite der historischen Stätte vor uns aus.

Nun ja, nicht die ganze Weite. Forscher schätzen, dass bislang lediglich 20 Prozent der einstigen Felsenmetropole freigelegt sind. Vereinzelte Grabungen zeigen, dass die Eingänge zu den Grabmälern, an denen wir vorbeikamen, die zweite Etage darstellen, dass also unter den Füßen der Besucher noch eine komplette Ebene der Gebäude begraben liegt.

Selbst in sechs Stunden gelang es uns nicht, die (zum Teil schwer) zugänglichen Bauwerke alle anzusehen. Doch was wir sahen, war beeindruckend: das in den Berg geschlagene „Palastgrab“ mit 50 Metern Höhe und 50 Metern Breite, die „Säulenstraße“, die antike Einkaufsmeile der Stadt, und ein komplett aus dem Fels gehauenes Amphitheater mit Sitzreihen für mehrere tausend Zuschauer.

Mittlerweile waren die Temperaturen so weit gestiegen, dass wir bei Sonnenschein im T‑Shirt durch die Ruinen stromern konnten. Glück für uns, denn die Felsschluchten von Petra sind dafür berüchtigt, bei starken Regenfällen geflutet zu werden, zuletzt im November vergangenen Jahres, als aber alle Touristen rechtzeitig evakuiert werden konnten.

Die Ironie der Geschichte ist jedoch, dass die Araber mit eben jenen Waffen, mit denen Lawrence sie im Ersten Weltkrieg für den Aufstand in der Wüste versorgte, Löcher in die Fassade des „Schatzhauses“ schossen, in der Hoffnung, die kunstvoll gearbeiteten Statuen und Reliefverzierungen, die 2000 Jahre überdauert hatten, würden herunterfallen und Goldschätze offenbaren.
Eine Schande, denn wie gut erhalten das Schatzhaus noch Mitte des 19. Jahrhunderts war, zeigt diese Lithografie von David Roberts:

„Finde mir ein solches Wunder außer im Morgenland. Eine Stadt, rosarot, halb so alt wie die Zeit“, schrieb der Dichter John William Burgon nach seinem Besuch in Petra.
Petra in der Populärkultur: Am Ende von Indiana Jones und der letzte Kreuzzug und mit kräftigem Achtziger-Touch im Video der Sisters of Mercy.

4 Gedanken zu „Eine Stadt, halb so alt wie die Zeit

  1. Der Rasierapparat, den ich dort 1980 gekauft habe, leistet mir immer noch gute Dienste. Feinste chinesische Qualität und ein praktisches Souvenir.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert