Japan so far

Japan so far

Um es vorwegzunehmen: Der große Kulturschock in Japan blieb bei uns aus. Zum einen sind wir nicht zum ersten Mal in Asien, zum anderen sind wir gerade vier Wochen durch Südkorea gereist. Was uns Gelegenheit gibt, auf die kleinen Unterschiede zwischen den Ländern und Völkergruppen zu achten, die sonst oft gern als „die Asiaten“ pauschalisiert werden.

Im Vergleich zu Korea empfinden wir vieles in Japan als, wie soll man sagen, ein wenig leichter:
Komfortabler: Asia light (wenn auch nicht ganz so westlich wie in Singapur), wobei es im Land noch genug Exotisches zu entdecken gibt und es oft die kleinen Details sind, die uns faszinieren.
Englischsprachiger: Wenngleich wir uns auch hier in Restaurants und den 24-Stunden-Convenience-Stores (liebevoll Konbini genannt) oft mit unseren wenigen Japanisch-Vokabeln und Händen und Füßen verständigen; mit den freundlichen und entgegenkommenden Japanern allerdings kein Problem.
Touristischer: Mehr Attraktionen, mehr Besucher. — Aber welches Land gewinnt da nicht in Vergleich zu Südkorea?
Organisierter: Als wir am Main Bus Terminal in Nagasaki nach Bustickets nach Fukuoka fragten, griff der Schalterbeamte hinter sich, zog einen Ordner hervor, entnahm ihm ein laminiertes Blatt Papier und schob es — leichte Verbeugung — zu uns rüber. Darauf war vorgedruckt: To purchase bus tickets to Fukuoka you have to go to the bus terminal at Nagasaki Railway Station. Und wir Deutschen hielten uns für gut organisiert …
Sicherer: Es gibt die schöne Geschichte, dass wenn du in Japan deine Jacke auf einer Parkbank vergisst und drei Wochen später wiederkommst, sie jemand sauber für dich zusammengefaltet hat. Auch wenn wir wie immer auf Reisen ein Auge auf unsere Sachen haben, können wir bestätigen: So sicher wie in Japan haben wir uns selten gefühlt.
Höflicher: Auf jeden Fall.

Zwar waren auch die Südkoreaner (wie alle Asiaten) nett und freundlich zu uns, doch sind im Unterschied dazu in Japan Rücksichtnahme und Zurückhaltung tief in der Kultur verankert. Diese (über-)höflichen Umgangsformen mögen von manchen als aufgesetzt und übertrieben empfunden werden, aber uns gefällt der sehr takt- und rücksichtsvolle Umgang miteinander. Arigatou gozaimasu (Vielen Dank), gefolgt von einer angedeuteten Verbeugung, gehört inzwischen auch zu unseren täglichen Umgangsformen. Während in Korea mehr nach dem Prinzip „Vehicles first“ gefahren wurde, kann man in Japan unbesorgt jeden Zebrastreifen überqueren. Schon wenn auch nur der Eindruck aufkommt, die Person am Straßenrand könnte die Absicht haben, die Straße zu überqueren, stoppen hier die Wagen. Auf der anderen Seite ist es undenkbar, die Straße an einer Stelle ohne gekennzeichneten Fußgängerüberweg zu überqueren oder — Gott bewahre! — bei Rot über die Ampel zu gehen.
(Oder aber es ist ganz anders und wir treten hier tumb von einem Fettnäpfchen ins nächste und die Japaner sind nur zu höflich, uns darauf hinzuweisen. Doch zum Glück gilt in Japan eine gewisse Narrenfreiheit für Nordbarbaren.)

Was den Begriff „Dienstleistung“ in eine ganz andere Dimension hebt: Stellt euch vor, ihr fahrt in Deutschland mit dem ICE, der Schaffner geht durch den Großraumwagen, bleibt an der Tür stehen, dreht sich um und verbeugt sich vor den Fahrgästen, bevor er das Abteil verlässt.

Im Shinkansen-Schnellzug ist das Standard.

Für uns in den Achtzigern Aufgewachsene stand Japan neben Shogun und Origami-Falten im ZDF-Ferienprogramm vor allem für uneingeschränkte Modernität. Ein Land, in dem man von Getränkedosen bis zu gebrauchten Mädchenschlüpfern alles aus dem Automaten ziehen kann, wo man in Hotels von Robotern bedient wird und in dem die Menschen entweder in rasanten Schnellzügen durchs Land düsen oder sich in kompakten Kei-Cars fortbewegen.
Doch vor Ort stellten wir fest, dass den modernen Elemente überraschende Relikte aus der jüngeren Vergangenheit gegenüberstehen, mit denen wir in Japan nicht gerechnet hätten.

Auf der einen Seite Shinkansen, retrofuturisch anmutende Raketenzüge, die die Metropolen mit Spitzengeschwindigkeiten bis zu 320 km/h verbinden und auf deren Pünktlichkeit (durchschnittliche Verspätung 6 Sekunden) die Japaner zu Recht stolz sind.

Auf der anderen Seite in Nagasaki und Hiroshima anachronistisch anmutende Straßenbahnen gesteuert von uniformierten Straßenbahn­fahrern mit weißen Handschuhen.

Als wir uns in unserem Airbnb-Apartment in Hiroshima auf die Suche nach Internet machten, fanden wir dort nur ein kabelloses handygroßes Gerät. Pocket Wifi stand darauf und unser Host schrieb, wir könnten es gern mitnehmen, während wir die Stadt und die Umgebung erkundeten. Wenn ihr uns fragt: SIM-Karte war gestern, Taschen-WLAN ist die Zukunft!

Dem gegenüber stehen im Land dann wieder erstaunlich viele Telefonzellen (für die Jüngeren unter uns: das sind so kleine Häuschen mit einem Handy an der Schnur; man wirft Geld hinein und kann jemanden anrufen).

Da in Japan (wie in Südkorea) Geldkarten eine große Verbreitung haben, mit denen man nicht nur übergreifend (fast) alle öffentlichen Verkehrsmittel im Land benutzen, sondern in vielen Geschäften auch bezahlen kann, hat das Land das Kreditkartenzeitalter irgendwie übersprungen. Was es für Kreditkartentouristen mitunter schwierig macht, im Automatenland am rar gesäten Global ATM Geld zu holen, und letztendlich dazu führt, dass man größere Mengen an Bargeld mit sich herumschleppt (im sicheren Japan aber kein Problem).

Tradition trifft Moderne. Eindrücke aus unseren ersten drei Wochen in Japan:

8 Gedanken zu „Japan so far

  1. Liebe Geli, lieber Olaf,
    Ich liebe Eure Reiseberichte! Bitte hört nie wieder damit auf!

    Und noch ein letztes: Geli, Du bist total souverän in der Telefonzelle, wie früher, nur 30, äh, nein eher 35 Jahre später.
    Ich bin schon gespannt, was als nächstes folgt.

    1. Liebe Elina,
      wie schön, dass Du so viel Spaß hast an unseren Berichten.
      Dann reisen (und bloggen) wir am besten noch ein bisschen weiter … 😉

  2. Hi Olaf und Geli. At last I have found your card with the web address. My filing system is second rate but Christina managed to unravel it. Greetings from Ireland. I am very impressed with all your travels. You both are breaking all the norms of convention. Well done. Wish that we could have the courage to do the same. We will settle for a trip to Madeira in November. Enjoy your travels and much love to you both. Richard.

    1. Hi Richard,
      Nice to hear from you. And just in time … we still have six months to go and will return to Germany around the time when you will head of to Madeira.
      Best regards
      Olaf & Geli

  3. Ein wohl temperiertes Land. Apropos, wart ihr schon im Sento oder im Onsen? Und danach ein gut gekühltes Bier aus dem Automaten. Ist umweltsauig aber lecker.

    1. Unsere nächste Ryokan-Unterkunft hat einen „Private Onsen“, da können wir auch mit Olafs Meerjungfrau-Tätowierung ins heiße Bad hüpfen ;-).
      Und „Feierabend“-Dosenbier gehört ohnehin zu unserem abendlichen Ritual — die Getränkedosen natürlich korrekt im Müll getrennt, wie sich das gehört.

Schreibe einen Kommentar zu Tim Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert