Auf den Spuren Jacob de Zoets

Auf den Spuren Jacob de Zoets

In seinem großartigen Roman Die tausend Herbste des Jacob de Zoet beschreibt David Mitchell das Aufeinandertreffen europäischer und japanischer Kultur während der „Abschließung“ Japans von der Außenwelt im 18. Jahrhundert im Mikrokosmos einer künstlichen Insel.

Quelle: Wikimedia

Nachdem Ende des 16. Jahrhunderts erste portugiesische Schiffe in Japan angelandet waren, wurde ab 1634 vor der Küste Nagasakis mit Dejima eine künstliche Insel geschaffen, auf der man die portugiesischen Händler isolieren und die Ausbreitung des Christentums eindämmen wollte.
Doch mit der während der Edo-Zeit einsetzenden Isolationspolitik Japans wurden die „Südbarbaren“ nur drei Jahre nach der Fertigstellung Dejimas des Landes verwiesen. Einziger Handelspartner und damit einziger Kontakt zur Außenwelt in den kommenden zweihundert Jahren blieb die Faktorei der Niederländischen Ostindien-Kompanie auf der künstlichen Insel.

„Dejima in Dejima“: Das Modell der Insel auf der Insel

Mitchells Held Jacob de Zoet, Buchhalter bei der Ostindien-Kompanie, erreicht Dejima einhundertfünfzig Jahre später an der Schwelle zum 19. Jahrhundert.

Nagasaki, holzgrau und schlammbraun, wirkt, als wäre es zwischen den gespreizten Zehen der grünen Berge hervorgequollen. Die Gerüche nach Seetang, Reichtum und dem Rauch aus unzähligen Ofenrohren werden über das Wasser getragen. Die Berge sind fast bis hinauf zu den gezackten Gipfeln von terrassenförmig angelegten Reisfeldern bedeckt.
Ein Wahnsinniger, denkt Jacob, könnte dem Glauben verfallen, er säße in einer gesprungenen Jadeschüssel.

Bevor er sich versieht, ist Jacob mitten in die Intrigen der kleinen Kaufmannsinsel verstrickt — und verliebt. Im zweiten Teil des Buches gerät seine Geliebte in die Fänge einer (für Mitchell-Verhältnisse gemäßigt) abgedrehten Sekte, bevor das Buch mit einer „veritablen Seeschlacht“ endet.

Heute liegt die ehemalige Insel Dejima als rekonstruiertes Freilichtmuseum inmitten des aufgeschütteten Hafengebietes Nagasakis zwischen einer Tankstelle und einem Parkhaus.

Einerseits ein schönes Projekt, denn so bleibt die holländische Handelsinsel an ihrem ursprünglichen Ort inmitten der Innenstadt weiterhin erhalten, doch auch wenn man sich im Museum große Mühe gab und wir schon am Eingang von einem Samurai begrüßt wurden, fiel es uns dennoch schwer, uns beim Besuch in die damalige Zeit zurückzuversetzen.

Die Tatsache, dass bei jedem Blick und jedem Foto die moderne Skyline Nagasakis in den Hintergrund rückt und in japanisch-übertriebenem Präventionismus vor jedes Exponat Plexiglasplatten und Warnschilder geschraubt wurden,* trug nicht eben dazu bei, dass wir uns wie Jacob bei seiner Ankunft im Land der tausend Herbste fühlten …

* Während Tourenanbieter in anderen (südost-)asiatischen Ländern Touristen ohne weiteres auf rostigen Stahlträgern über metertiefe Abgründe balancieren lassen, muss man in Japan fast schon einen Safety Contract unterzeichnen, wenn man nur ein Teeservice durch eine Glasscheibe betrachten möchte.

6 Gedanken zu „Auf den Spuren Jacob de Zoets

  1. Neben dem Austausch mit den Holländern gab es natürlich auch während der Abschlusszeit (sakoku) Handel mit China. Die vorherrschende Geistesströmumg der Zeit ist der Neokonfuzianismus. 🙂

  2. Was ist die Edo-Zeit – nur fuer Ungebildete bitte eine Erklaerung – ist das sowas wie jetzt z.B. die Reiwa-Zeit ab 1. Mai 2019 mit neuem Kaiser, der alte ist der erste, der zu Lebzeiten abgedankt hat seit 200 Jahren – ich weiss auch was…davon traeumt uebrigens Prinz Charles heute noch, da sind sogar die Japaner fortschrittlicher als die Briten-und endlich auch ein paar Geishas im Kimono

    1. Die Abschnitte der japanischen Geschichte müssen wir auch alle nachschlagen: Während der Edo-Zeit von 1603 bis 1868 betrieb Japan eine Isolationspolitik, bevor die Gesellschaft während der anschließenden Meji-Zeit nach westlichen Vorbild umgestaltet wurde.
      Pünktlich zur Abdankung und Kaiserkrönung sind wir dann in Tokio.

  3. Edo ist die Bezeichnung für Tokio vor Beginn der japanischen Moderne (1868). Seit 1603 wird die nominelle Regierungsgewalt von dort ausgeübt. Der Kaiser in Kioto hatte nur noch eine symbolische Funktion, allerdings vorher auch schon und danach immer noch, also seit dem 13. Jahrhundert bis heute. Aber 1868 durfte er umziehen.

  4. Hey Geli & Olaf, Ihr seid schon wieder sehr weit gekommen, das ist wirklich wunderbar 🙂 Habt alles richtig gemacht, also weiter so!! Viel Spaß auf den letzten Etappen von #2 und schöne Grüße, Stefan & Nicole // PS: Grabbel and The Final Cut spielen am 27. Juli in der Astra Stube. Vielleicht seid Ihr dann schon wieder zurück…?

    1. Hallo Stefan, Ende Juli sind wir noch in Australien (können aber allen Lesern hier das Grabbel-Konzert in der Astra-Stube nur wärmstens empfehlen), doch bis zum Weihnachtskonzert in Lüneburg sollten wir wieder im Lande sein.
      Schöne Grüße aus Japan
      Olaf & Geli

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