Battleship Island

Battleship Island

Wer sich wie wir für Lost Places begeistert, kommt auf der Suche nach spannenden verlassenen Orten an Hashima Island in Japan nicht vorbei.

Eine sechs Hektar große Insel in Form eines Kriegsschiffes, auf der jeder einzelne Quadratmeter zubetoniert und bebaut wurde, umgeben von mächtigen Schutzmauern aus bröckelndem Stahlbeton, seit Jahrzehnten verlassen und in den Fluten vor der Küste Nagasakis den zerstörerischen Kräften der Taifune ausgesetzt.

Noch spannender als Lost Places sind allerdings Orte, die abrupt verlassen wurden, deren Bewohner alles stehen und liegen ließen, wo quasi noch die halb ausgetrunkene Kaffeetasse neben der vergilbten Tageszeitung auf dem verstaubten Küchentisch steht. Prypjat nahe dem Kernkraftwerk Tschernobyl fällt in diese Kategorie, dessen Einwohner nach dem Reaktorunglück im April 1986 angewiesen wurden, die Stadt innerhalb von zweieinhalb Stunden „für drei Tage“ zu verlassen und die niemals in ihre kontaminierte Planstadt zurückkehren konnten.* Hashima ebenfalls.

Nachdem dort im 19. Jahrhundert, in Zeiten, als Kohle noch als „Schwarzes Gold“ galt, unterseeische Kohlevorkommen entdeckt worden waren, erlebte der Bergbau auf Hashima nach der Übernahme durch den Mitsubishi-Konzern 1916 seine Blütezeit. In Schächten bis zu 1000 Meter unter dem Meer wurde bei Temperaturen bis zu 35 Grad und einer Luftfeuchtigkeit bis zu 95 % Kohle abgebaut. Auf der einen Hälfte der Insel wurden Produktionsstätten errichtet, auf der anderen Hälfte Wohngebäude und Infrastruktur für die bis zu 5000 Bewohner, die Minenarbeiter und ihre Familien: Badehäuser, ein Krankenhaus, Geschäfte, Schulen, ein Hotel, ein Kino, Kneipen und ein Bordell. In Ermangelung von Platz auf dem nur 500 Meter langen Eiland wich man in die Höhe aus (1916 wurde auf Hashima das erste mehrstöckige Stahlbetongebäude Japans errichtet) und unter die Erde, während sich die Insel gleichzeitig durch den unterseeischen Abraum immer mehr ausdehnte.

Als dunkle Periode überschattet die Geschichte Hashimas die Zeit während des Zweiten Weltkriegs, als die japanische Belegschaft gegen koreanische Zwangsarbeiter und chinesische Kriegsgefangene ausgetauscht wurde. Unmenschliche Arbeitsbedingungen forderten während dieser Zeit mehr als tausend Tote.

Als in den sechziger Jahren Erdöl Kohle als Energiequelle abzulösen begann, wurden mehr und mehr Kohlebergbaubetriebe geschlossen. Am 15. Januar 1974 beschloss Mitsubishi die Stilllegung der Anlagen auf Hashima. Alle Bewohner wurden auf einen Schlag arbeitslos und verließen eiligst die Insel, ließen dabei oft all ihr Hab und Gut zurück. Das Demontagekommando für die Förderanlagen nahm drei Monate später das letzte Boot.

In den folgenden Jahrzehnten wurde Gunkanjima, die „Kriegsschiff-Insel“, dem Verfall preisgegeben und blieb als vor sich hin rottendes Mahnmal an rücksichtslose Industrialisierung verlassen vor der Küste Nagasakis liegen, während zwischen den bröckelnden Betonruinen die Natur das Terrain zurückzuerobern begann. Ein Traum für Urban Explorer, die die Geisterinsel in jenen Jahren illegal betraten.

Erst 35 Jahre später erkannte die Stadt Nagasaki das touristische Potential der Inselruine, und nachdem ein Pier sowie ein abgesicherter Besucherpfad angelegt wurden, können seit 2009 Touristen Battleship Island besuchen, das 2015 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurde.
Mit Urban Exploration hatte die japanisch wohlgeordnete Tour, die wir gebucht haben, allerdings wenig zu tun. Dennoch hatten wir Glück: Bei spiegelglatter See konnte unser Boot problemlos an der oft sturmumtosten Insel landen und der sonnige Nachmittag bot ein 1a-Fotowetter. In Kombination mit einem Besuch im Gunkanjima Digital Museum ein wirklich lohnenswerter Ausflug zu einem faszinierenden verlassenen Ort.

Auch wenn ihr euch nicht für Lost Places erwärmen könnt, aber gern James Bond schaut, ist Hashima eure Insel. Die Szene in Skyfall, in der Daniel Craigs hübsche Freundin vom Bösewicht Silva exekutiert wird, wurde dort gedreht**:

* Hier werden die Übergänge fließend, denn wer die Geisterstadt in der Ukraine mit Geigerzähler in der Hand auf den dekontaminierten Straßenabschnitten besucht, ist eher Horrorfilmregisseur oder Katastrophentourist als Urban Explorer.
** zum Teil allerdings im Studio nachgebaut; zu einsturzgefährdet waren die maroden Gebäude der Insel

2 Gedanken zu „Battleship Island

  1. Im Radarturm in Boostedt standen bis zum Abriss noch die Ketchupflaschen im Kuehlschrank, vertrocknete Topfpflanzen auf der Fensterbank und die Telefone waren noch angeschlossen! Bundeswehr hat bezahlt…

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